Ehemalige Heimkinder fordern Gerechtigkeit und Respekt

Beim öffentlichen Hearing in der Citykirche sagt OB Heinrichs Unterstützung für ein Wohnprojekt zu.

„Wir würden gern mit dem Thema abschließen und die Möglichkeit haben, den Rest unseres Lebens in Würde zu verbringen“, sagt Uwe Werner, Vorsitzender der 1. Community – Ehemalige Heimkinder NRW e.V. beim öffentlichen Hearing in der Mönchengladbacher Citykirche. „Aber wir wurden bisher im Stich gelassen.“ Drei große Veranstaltungen im Jahr 2019 – eine in Berlin, eine im Düsseldorfer Landtag und eine Fachtagung in Mönchengladbach – hätten keine Fortschritte gebracht. Das soll beim Hearing nicht wieder passieren. „Jeder soll heute mit dem klaren Auftrag nach Hause gehen, sich für Gerechtigkeit einzusetzen.“

Dieser Appell richtet sich an Teilnehmer des hochkarätig besetzen Hearings. Es sind unter anderen dabei Oberbürgermeister Heinrichs und Sozialdezernentin Schall teil, die NRW-Patienten- und Behindertenbeauftragte Middendorf, die NRW-Opferschutzbeauftragte Auchter-Mainz, Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche wie Superintendent Denker und Regionalvikar Hurtz sowie der Stiftung Hephata. Und es sind Betroffene dabei, ehemalige Heimkinder, die traumatischen Kindheitserlebnisse schildern und ihre Fragen und Forderungen klar formulieren. Warum für Missbrauch, Misshandlung und Zwangsarbeit nur 10.000 Euro gezahlt werden, wird gefragt. Die Summe sei  für das erlittene Leid absurd niedrig, bestätigt Jürgen Sohn, Dezernent bei der Evangelischen Kirche im Rheinland. „Wir können nicht Leid aufwiegen, aber es werden Summen zwischen 5000 und 40.000 Euro gezahlt.“ Auch Helmut Keymer vom Bistum Aachen spricht von Zahlungen bis zu 30.000 Euro. Aber er spricht nur für das Bistum, die katholischen Orden, häufig Träger von Kinderheimen und Behinderteneinrichtungen, können selbst entscheiden, ob und wie sie auf Missbrauchsvorwürfe reagieren. Zusagen und Versprechungen seien nie umgesetzt worden immer neue Anträge müssten gestellt werden, lautet ein weiterer Vorwurf der ehemaligen Heimkinder. Superintendent Denker spricht sich für eine Abwicklung aus, die automatisch abläuft, wenn ein Heimkind einen Anspruch geltend macht. Er merkt selbstkritisch an: „Es geht aber nicht nur um Geld, sondern auch um Empathie und Begleitung. Hier müssen wir dazu lernen.“ Auch das Thema illegaler Medikamentenversuche und der Gabe von Psychopharmaka zur Ruhigstellung der Kinder kommt zur Sprache. Hier soll im Sommer eine Landesstudie in Auftrag gegeben werden. Die NRW-Patientenbeauftragte Claudia Middendorf verspricht  Betroffenen finanzielle Mittel aus dem Opferfonds

Schließlich kommt die aktuelle Situation der ehemaligen Heimkinder zur Sprache: alle werden älter, viele sind  krank und leben allein und ohne Familie. Sie wünschen sich ein Wohnprojekt, in dem sie selbstständig, aber miteinander leben können. Denn in ein Heim will keiner zurück. Für ein solches Projekt sagen OB Heinrichs und Sozialdezernentin Dörte Schall sofort Unterstützung zu. Damit die ehemaligen Heimkinder, deren Kindheit zerstört und gestohlen wurde, wenigstens im Alter in Würde leben können. Wie es Uwe Werner zu Beginn der Veranstaltung gewünscht hatte.

  • 9.5.2022
  • Angela Rietdorf
  • Red