„Ein Kind, ob leiblich oder nicht, ist eine Bereicherung“

Nicht jedes Kind hat die Chance, bei seinen leiblichen Eltern aufzuwachsen. Ein neues Zuhause kann es in einer Pflegefamilie finden. Daniela und Bernd Wimmer haben sich vor zwei Jahren für eine Pflegeelternschaft entschieden – und dadurch ihr Familienglück gefunden. In der neuen Ausgabe des Evangelischen Elternmagazins Zehn14 erzählt das Ehepaar seine Geschichte als Pflegeeltern.

„Wir haben uns zu spät kennengelernt, mit eigenen Kindern hat es leider nicht geklappt“, blickt Bernd Wimmer zurück. Irgendwann habe er mit seiner Frau Daniela über das Thema Pflegekinder gesprochen. Für die 42-Jährige war schnell klar: „Das ist das Richtige für uns.“ Beratung und Unterstützung auf dem Weg zur Pflegefamilie erhielt das Ehepaar schließlich über die Stiftung Kreuznacher Diakonie. Dort begleitet die Kinder-, Jugend-, Familien- und Wohnungslosenhilfe drei verschiedene Konzepte für Pflegefamilien: sozialpädagogische Pflegestellen, Bereitschaftspflege und Gastfamilien. „Bei der Bereitschaftspflege müssen Pflegeeltern Kinder akut aufnehmen können. Sie sollten also flexibel sein“, erklärt Fachberaterin Lara von Bennigsen-Prezewowsky. Bei Gastfamilien sei eine kulturelle Offenheit wichtig. „Hier geht es um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.“ Voraussetzung für das sozialpädagogische Pflegekonzept sei wiederum, dass eines der Elternteile eine pädagogische Ausbildung besitzt. „Hierbei handelt es sich um Pflegekinder mit besonderen Bedarfen.“

Als es so weit war, war die Freude riesengroß

Für ebenjenes Konzept hat sich das Ehepaar Wimmer entschieden. „Ich bin gelernte Erzieherin, deshalb ist mir auch die andere Seite der Medaille bekannt, wenn Kinder in schwierigeren Familienverhältnissen aufwachsen“, erzählt Daniela Wimmer. Ihre berufliche Qualifikation war somit der Türöffner. Hinzu kam die Offenheit des Paars. „Wir hatten keine spezielle Vorstellung. Wir wussten nur, wir wollen ein Kind“, sagt Bernd Wimmer. Als es dann so weit war, war die Freude riesengroß. „Für mich war das ein ganz besonderer Moment, als ich wusste, das ist jetzt mein Kind und ich bin nicht einfach ,nur‘ die Betreuerin“, erinnert sich Daniela Wimmer.

„Das Päckchen des Jungen ist sehr schwer“

Seit nunmehr zwei Jahren ist der Siebenjährige Teil seiner neuen Familie. Geprägt von seiner Lebensgeschichte, hat er mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Sich zu binden, fällt ihm schwer. „Er hatte lange keine festen Bezugspersonen, weil er bereits zuvor bei einer Pflegefamilie und dann in einer Wohngruppe gelebt hat“, schildert Daniela Wimmer. Hinzu kämen Diagnosen wie ADHS, auch Autismus stehe im Raum, in der Schule werde er von einer Integrationskraft begleitet. „Das Päckchen des Jungen ist sehr schwer, aber wir helfen ihm, es zu tragen.“ Mit der Zeit sind die drei immer mehr zusammengewachsen. „Was ein Kind, das so eine Geschichte mit sich bringt und in einer Pflegefamilie aufwachsen darf, an Liebe mitbringt, ist unbeschreiblich“, sagt Daniela Wimmer.

Pflegeeltern werden intensiv vorbereitet

Damit das möglich war, wurde das Ehepaar intensiv auf die Pflegeelternschaft vorbereitet. „Wir schauen uns die möglichen Pflegeeltern genau an, sprechen mit ihnen über ihre Motivation, erläutern die Konzepte und bereiten sie auf mögliche Eventualitäten vor“, beschreibt von Bennigsen-Prezewowsky den Ablauf. Das betreffe neben rechtlichen Fragen wie der Aufsichtspflicht etwa auch die Gesundheitsvorsorge. „Bei Kindern mit besonderen Herausforderungen ist es wichtig, die Pflegeeltern auf mögliche Verhaltensweisen vorzubereiten“, weiß von Bennigsen-Prezewowsky, die derzeit mit ihren beiden Kolleginnen 21 Kinder in 16 Familien betreut. „Darunter sind Kinder mit und ohne spezielle Bedarfe. Da ist die Bandbreite sehr groß.“

Die Phase des Kennenlernens lief unkompliziert

Zur Vorbereitung auf die Pflegeelternschaft zählt zudem eine mehrwöchige Kennenlernphase. „Das lief recht unkompliziert“, blickt Daniela Wimmer zurück. Für ihren Pflegesohn sei vor allem die Anfangsphase sehr wichtig gewesen. „Er war sehr bedacht darauf, alles so zu machen, dass er auf jeden Fall bleiben darf.“ Entsprechend habe er sich sehr konzentriert an die Regeln gehalten und versucht zu gefallen. „Mit der Zeit war er sich sicher, bei uns sein Zuhause gefunden zu haben, und merkte, dass er so sein darf, wie er ist.“ Ihr Mann hat die Anfangszeit ebenfalls in guter Erinnerung. „Klar war es auch mal anstrengend. Aber jetzt spielt das alles keine Rolle mehr, wir sind eine Familie.“

Kreuznacher Diakonie ist in Krisen da

Die Familie weiß die Stiftung Kreuznacher Diakonie immer an ihrer Seite. „Wir versuchen, unseren Pflegefamilien den Rücken freizuhalten, und sind in Krisensituationen
da“, berichtet von Bennigsen-Prezewowsky. Sie und ihre Kolleginnen führen regelmäßig Gespräche mit ihnen. Und unterstützen sie auch organisatorisch, etwa bei der Antragstellung für Beihilfen. Darüber hinaus organisiert die Diakonie Fortbildungen und gemeinsame Outdoor-Tage für die Familien. „Hier können sie sich austauschen. Das ist sehr wichtig, denn niemand versteht ihre Situation besser als andere Pflegeeltern.“ Außerdem begleiten die Mitarbeiterinnen die Besuchskontakte mit den leiblichen Eltern. Einen solchen hat auch der Sohn von Familie Wimmer. „Uns ist es wichtig, dass er seine Herkunft kennt. Seine leibliche Mutter geht sehr gefühlvoll mit ihm um, da haben wir einen Glücksgriff getan“, sagt Daniela Wimmer.

Enge Kooperation mit Jugendamt

Als freier kirchlicher Träger koordiniert die Stiftung Kreuznacher Diakonie die Suche nach Pflegeeltern. „Wir werden vom Jugendamt beauftragt, überprüfen dann interessierte Familien und versuchen in enger Kooperation mit dem Jugendamt Pflegeeltern und Kinder zusammenzuführen“, fasst von Bennigsen-Prezewowsky den Prozess grob zusammen. Hat ein Pflegekind ein neues Zuhause gefunden, sind die Mitarbeiterinnen der Diakonie Ansprechpartner sowie Schnittstelle zum Jugendamt.

Enormer Bedarf an Pflegefamilien

„Der Bedarf an Pflegefamilien ist sehr hoch, wir können uns vor Anfragen nicht retten“, berichtet von Bennigsen-Prezewowsky. Monatlich müssten zwischen fünf und 20 Anfragen abgelehnt werden. „Wer einen Platz zu Hause und in seinem Herzen hat, kann sich sehr gerne bei uns melden“, rührt die Fachberaterin die Werbetrommel.

„Man ermöglicht den Kindern ein besseres Leben“

Genau das hat Familie Wimmer getan – und ist heute froh, sich für eine Pflegeelternschaft entschieden zu haben. „Das Gefühl einer Familie, das kannte ich bisher nur im Sinne von ,Ich bin das Kind meiner Eltern‘“, sagt Daniela Wimmer. Eine eigene Familie zu haben, sei wunderschön. „Ein Kind, ob leiblich oder nicht, ist in jeder Hinsicht eine Bereicherung.“ Für den 41-jährigen Bernd Wimmer spielt außerdem die Sicht der Kinder eine entscheidende Rolle. „Man ermöglicht ihnen ein besseres Leben. Und das bekommt man durch ganz viel Liebe zurück.“

Pflegeeltern werden: Sie können sich vorstellen, eine Pflegeelternschaft zu übernehmen? Oder möchten sich unverbindlich informieren? Dann können Sie sich an die Stiftung Kreuznacher Diakonie wenden. Alle Infos dazu finden Sie hier.

Info: Ausgabe #21 des Elternmagazins Zehn14

Die 21. Ausgabe des Evangelischen Elternmagazins Zehn14 ist erschienen. Das Magazin bietet Wissens- und Lesenswertes zu Erziehungsfragen und Glaubensthemen. In der Titelgeschichte dreht sich dieses Mal alles rund um das Thema Krankheiten bei Kindern und den Umgang damit im Kita-Alltag. Weitere Themen in dieser Ausgabe sind unter anderem die kindliche Sexualität, die Gefahr von Zucker in Lebensmitteln für Kinder und die Frage, was einer Familie bei Schicksalsschlägen Halt gibt. Zehn14 ist ein Gemeinschaftsprojekt des Evangelischen Presseverbands für Westfalen und Lippe e.V. und der Evangelischen Kirche im Rheinland. Es erscheint zweimal im Jahr und kann von Kitas und Kita-Trägern zur Weitergabe an Eltern abonniert werden. Infos zum Magazin sowie zur Bestellung gibt es unter www.zehn14.de. Auch Einzelhefte zur Ansicht können dort bezogen werden.

  • 13.11.2023
  • Andreas Attinger
  • Chrissie Salz