Finger weg vom Kirchenasyl

Solidaritätskundgebung in Dülken

Update 5. August 2023:
Das Kirchenasyl ist beendet: Das kurdische Ehepaar Nahida und Dishad sind in einer Flüchtlingsunterkunft in Viersen untergebracht. Dort können sie bleiben, bis das Ayslverfahren abgeschlossen ist.

Update 25. Juli 2023:
Das kurdische Ehepaar ist zurück im Gemeindehaus der Evangelischen Kirchengemeinde Lobberich.

Update 24. Juli 2023:
Die Stadt Viersen hat die Überstellung eines irakischen Ehepaares nach Polen auf Basis der Dublin-III-Verordnung abgesagt. Hintergrund sind akut deutlich gewordene uneinheitliche Bewertungen des Falles. Da die Überstellungsfrist am 25. Juli 2023 abläuft, geht das Asylverfahren nun auf die deutschen Behörden über. Die Abschiebehaft ist aufgehoben. Zu entscheiden hat nun das BAMF.

Nach dem gewaltsamen Bruch eines Kirchenasyls hat das Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche NRW eine Mahnwache vor der zuständigen Ausländerbehörde Viersen angemeldet. Die Einrichtung der Mahnwache erfolgt in Absprache mit der Evangelischen Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck (Stadt Nettetal, Kreis Viersen, NRW), in der das kurdischen Ehepaar aus dem Irak seit Mai 2023 aus humanitären Gründen Kirchenasyl gefunden hatte. Die beiden schwer traumatisierten Personen befinden sich nach dem Abbruch der Abschiebung seit Montag, den 10.07.2023, in Abschiebehaft in Darmstadt. Mittlerweile ist dem Ehepaar ein erneuter Versuch einer sogenannten Dublin-Überstellung nach Polen für Dienstag, den 25.07.2023 angekündigt worden. Daher rief das Ökumenische Netzwerk Asyl in der Kirche und die Evangelische Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck am Freitag, den 21.07.2023 um 16:00 Uhr zu einer Solidaritätskundgebung vor der Ausländerbehörde Viersen (Theodor-Frings-Allee 22, 41751 Viersen) auf.

Rund 90 Frauen, Männer und Kinder aus Viersen und den benachbarten Städten nahmen an der Kundgebung (Ausschnitte hier im Video) teil.

Tom Brandt vom Ökumenischen Netzwerk Asyl in der Kirche NRW, begründet den Protest gegen den Bruch des Kirchenasyls: „Das Vorgehen der Ausländerbehörde Viersen ist ein absoluter Skandal, gegen den wir aufs Schärfste protestieren. Wir stehen solidarisch hinter dem kurdischen Ehepaar und fordern die Behörden auf, die vollkommen inakzeptablen Pläne für ihre Überstellung nach Polen einzustellen. Niemand sollte in ein Land abgeschoben werden, in dem man wie das Ehepaar selbst bereits in einem geschlossenen Lager festgehalten und inhuman behandelt worden ist. Leider wissen wir jedoch aus unserer täglichen Arbeit, dass das der brutale Alltag der europäischen Abschottungspolitik ist, die die EU offensichtlich noch verschärfen will. Kirchengemeinden, die Kirchenasyl gewähren, setzen dem im konkreten Fall etwas entgegen. Der Bruch des Kirchenasyls durch die Ausländerbehörde Viersen ist auch deswegen eine rote Linie und darf auf keinen Fall hingenommen werden. Es braucht dringend einen grundsätzlichen Kurswechsel in der Asyl- und Migrationspolitik in Deutschland und Europa!“

Die Evangelischen Kirchengemeinde Lobberich/Hinsbeck, in der das Kirchenasyl durchgeführt wurde, unterstützt die Mahnwache und die Kundgebung. Pfarrerin Elke Langer erklärt: „Das Vorgehen der Ausländerbehörde Viersen, die die unangekündigte Abschiebung trotz eines offensichtlichen Zusammenbruchs der Frau unbedingt durchführen wollte und noch nicht einmal den von mir verständigten Rettungswagen zu ihr vorgelassen hat, ist schockierend. Dieses gewaltsame Eindringen in die sicheren Kirchenräume hat die beiden extrem verängstigt und ihnen den letzten Boden unter den Füßen weggezogen. Umso notwendiger ist jetzt jede Unterstützung für das durch den völlig unverhältnismäßigen Abschiebeversuch noch zusätzlich traumatisierte Paar. Ihre Abschiebung nach Polen muss verhindert werden!“


Superintendentin Dr. Barbara Schwahn dankte dem Presbyterium und der  Kirchengemeinde Lobberich, dass sie ihre Räume für das Kirchenasyl zur Verfügung gestellt habe.
„Sie haben damit einen geschützten Raum geboten, damit zwei Menschen im Rahmen ihres Asylverfahrens einmal durchatmen können.“ Mithilfe des Landeskirchenamtes in Düsseldorf und kräftig unterstützt durch das Netzwerk Asyl habe die Kirchengemeinde dafür gesorgt, dass das Ganze auf kirchlicher Seite nach den Verabredungen geschehen ist, die Staat und Kirche bundesweit für Kirchenasyle getroffen habe.
In diesem Fall sei seit langer Zeit einmaliger Weise die vereinbarte Ebene des Dialogs und des Gesprächs zwischen staatlichen und kirchlichen Stellen verlassen worden
und ohne vorher noch einmal zu sprechen gehandelt und das kurdische Ehepaar in unverhältnismäßiger Art und Weise aus dem Kirchenasyl geholt worden. Die Superintendentin dankte auch dem Netzwerk: „Sie haben bundesweit öffentlich gemacht, dass in diesem Fall in seit langer Zeit einmaliger Weise die vereinbarte Ebene des Dialogs und des Gesprächs zwischen staatlichen und kirchlichen Stellen verlassen wurde.“
Ihre Hoffnung sei, „dass wir für den Fall künftiger Kirchenasyle wieder zur Ebene des Dialogs und Gesprächs zurückkehren, bevor Recht umgesetzt wird, damit dies in angemessener Weise geschieht.“

Achim Schwabe vom Kirchenasyl der Evangelischen Kirche im Rheinland bezeichnete den Bruch des Kirchenasyls in Lobberich als Skandal.

Gewaltsame Räumungen von Kirchenasylen sind äußerst ungewöhnlich, da die Behörden diesen Schutzraum für Geflüchtete in Kirchengemeinden in der Regel respektieren. In NRW gibt es derzeit rund 140 laufende Kirchenasyle. Im vergangenen Jahr konnten davon rund 98% mit einer Bleibeperspektive für die Betroffenen beendet werden.

Diesem Aufruf kamen die Teilnehmenden nach und symbolisierten mit der Menschenkette vor der Ausländerbehörde Viersen: Die „Rote Linie“ darf beim Kirchenasyl nicht überschritten werden!

  • 22.7.2023
  • Bettina Furchheim, Tom Brandt
  • Bettina Furchheim