Pilgern in Krefeld – Go for Gender Justice

  • Bettina Furchheim (Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)
  • Maxym Voiko, Bettina Furchheim (Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit)

Sie waren den gesamten Tag unterwegs, Frauen und Männer aus Krefeld und Umgebung, um „Herkunft zu feiern – Zukunft zu wandeln“. Acht Frauen hatten die Krefelder Pilgeretappe im Gesamtprojekt „Go for Gender Justice“ vorbereitet – auf dem Weg zur Vollversammlung des Ökumenischen Rats der Kirchen in Karlsruhe. Wo Frauen in Krefeld eine Rolle spielen, was ihnen wichtig ist und warum sie sich engagieren – das wurde deutlich in den Stationen des Tages, aber auch auf dem Weg in den Gesprächen untereinander. Was es zu erleben gab, schildert eine Teilnehmerin:

Unter dem Motto „Herkunft feiern, Zukunft wandeln: Gerechte Teilhabe von Frauen in einer multireligiösen Gesellschaft“ sind wir mit ca. 50 Teilnehmenden in Krefeld am Sonntag, 12. Juni 2022 von der Burg Linn bis in die Innenstadt zum „Engel der Kulturen“ gepilgert.

Wasser war das verbindende Element des Pilgerwegs. Zu Beginn schöpfte jede Frau aus dem Vorbereitungsteam aus einer großen Wasserschale mit den Händen und erzählte während das Wasser durch ihre Hände rann, was sie mit „Wasser“ verbindet. Alle Teilnehmenden der Pilgertour erhielten anschließend ein Wasserglas mit der Gravur „Go for gender justice“ und konnten einen ersten Schluck Wasser bedachtvoll trinken. Im Verlauf des Tages wurde bei jeder Pilgerstation ein erfrischendes Getränk angeboten, das aus diesem Glas „Go for Gender Justice“ getrunken werden konnte.

Die Schirmfrau der Pilgertour Marianne Rhodius lebte von 1814 bis 1902 in Krefeld und wirkte in viele gesellschaftliche Bereiche hinein. Sie handelte sehr selbständig, setzte sich gegen große Widerstände für den Bau der jüdischen Synagoge in Linn ein und schenkte der Stadt Gebäude und ihr Vermögen für soziale Zwecke. Mit dem Wegbeitrag Welche Frau hat für Sie Bedeutung in Ihrem Leben erlangt? eröffnete die Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Krefeld-Viersen, Frau Dr. Barbara Schwahn, die Frage- und Antwortrunde, die uns von einem zum anderen der acht Punkte entlang der Wegstrecke führte.

SELBSTERMÄCHTIGUNG
Mit katholischen Frauen diskutierten wir zur Thematik Maria 2.0, tanzten gemeinsam einen Brunnentanz und stellten uns die nächste Wegfrage: „Aus welcher Quelle schöpfst Du?“

GESTALTUNGSFREIHEIT
Muslimischen Frauen aus der Bildungsarbeit zeigten uns in einem kleinen szenischen Theaterstück die Geschichte der Entstehung der Stadt Mekka. Die auch aus der Bibel bekannte Hagar spielt dabei eine entscheidende Rolle, da sie von Abraham und Sarah in der Wüste mit ihrem Sohn ausgesetzt wurde und dort nach überlebensnotwendigem Wasser gesucht hatte. Sie fand Wasser, dankte und pries Gott. Dies wird von allen nach Mekka Pilgernden immer wieder im Ritual des Trinken von Semsem-Wasser nachvollzogen.  An dieser Station durften mit Blick auf einen sprudelnden Brunnen im Schönwasserpark Krefelds alle Teilnehmenden vom kostbaren Semsem Wasser probieren. Es war fast wie eine „Brotvermehrung“, das der kleine Krug original Semsem-Wasser aus Mekka für alle einen Schluck Wasser hergab. Anschließend wurde bei einem Picknick im Park und arabischen Trommelklängen die Frage gestellt: Wo bist du im Alltag wirksam?“

EINLADUNG ZUM DIALOG
An der Synagoge begrüßte die Frau des Rabbiners alle Teilnehmenden und es bestand die Möglichkeit die Mikwe zu besichtigen. Außerdem wurden alle Frauen zum Dialog mit jüdischen Frauen zu einem extra Termin im September eingeladen. Wir fragten uns auf der nächsten Wegstrecke Warum hat es eine Berechtigung, dass Frauen sich auch 2022 exklusiv unter sich austauschen?

GERECHTIGKEIT
Eine der Sprecherinnen des frauenpolitischen Forums Krefeld stellte deren überkonfessionelle, überparteiliche, frauenpolitische Arbeit am Salon Goethe, einem Treffpunkt des frauenpolitischen Forums, vor. Im schattigen Garten führten drei Frauen eine Performance mit Stoffbahnen und Wasser zum Thema „Diversität einflechten und verknüpfen“ vor. Nach einem fairgehandelten Kaffee stellten wir uns die Frage „Was ist gerecht?“.

FÜRSORGE
Im Garten der mennonitischen Kirche mitten in Krefelds Innenstadt erlebten wir Ruhe und hielten einen Moment inne, um mit Wasser die vielfältigen Blumen des Gartens zu gießen. So ergab sich die Frage „Wo ist Fürsorge in Deinem Leben sichtbar?“.

VERANTWORTUNG
Im alevitischen Kulturzentrum lernten wir den Ablauf einer Cem-Zeremonie kennen und durften zwei Teile der Zeremonie exemplarisch mitvollziehen (Reinigung / Handwaschung und Tanz). Die junge alevitische Teamfrau erläuterte und leitete als (zukünftige) Geistliche die beiden Cem-Elemente. Sie hat vor, demnächst ihre Gemeinde als Geistliche mit zu gestalten.  Mit der Frage „Was heißt es für Dich Verantwortung zu übernehmen?“ gelangten wir zur letzten Pilgerstation, der Alten evangelischen Kirche in Krefeld.

VIELFALT
Das Thema in der protestantischen Kirche war die Taufe und die daraus resultierende gleichberechtigte Stellung der Frau in den Berufen der evangelischen Kirche. Die Superintendentin des Kirchenkreises und die ebenfalls ordinierte Frauenreferentin betonten, was ihre Vorgängerinnen erfolgreich erkämpft und erreicht haben. Sie wiesen aber auch daraufhin, dass es gilt, achtsam zu sein und diskrimminierdende Strukturen immer wieder aufzudecken. Luft nach oben ist bei der Umsetzung von vielfältigen Gottesdbildern, die es in der Bibel gibt, die aber im Alltag unserer Gemeinden noch häufiger verwendet werden könnten. Gestärkt durch Segensworte mit dem Wasser aus dem Taufbecken erreichten wir das Ziel der Pilgeretappe mit der Frage: Was möchtest du weitergeben?“

Obwohl der Weg lang war und viele Teilnehmende zunächst nicht die ganze Wegstrecke laufen wollten, wurde zum Schluß in einer Aussage einer Teilnehmerin das Fazit des Tages deutlich:

Es war so interessant und wunderschön, ich dachte, ich schaffe nicht den ganzen Weg, aber ich wußte einfach nicht, wann ich aufhören sollte ohne etwas zu verpassen!“

Zukunft wandeln
Wir sollten also festhalten: Über Konfessions- und Religionsgrenzen hinweg bereichern wir uns mit unserem Erfahrungsschatz der unterschiedlichen Glaubens- und Lebensweisen, wenn wir aufeinander zugehen. Dabei ist es wichtig, Menschen anderer Weltanschauungen (z.B. humanistisch, atheistisch) in solche multi- oder interreligiösen Dialoge einzubeziehen. Der Blick über den Tellerrand hinweg lässt auch für die einzelnen Glaubensrichtungen neue Möglichkeiten entdecken. Neben der christlichen Verbundenheit ist es unserer Meinung nach zunehmend wichtig, sich interreligiös, dialogisch auf Augenhöhe zu begegnen und zu verständigen.

Hier einige Fotos des Tages:

Zwischen den Stationen tauschten sich Pilgernden aus – Fragen wurden mit auf den Weg gegeben. „Welche Frau hat in Deinem Leben eine besondere Bedeutung erlangt“ lautete eine Frage. Eine Antwort darauf: „Meine Mutter, natürlich auch andere, aber die hat mich am meisten geprägt. An andere, berühmte, Pionierinnen, kommt man vielleicht nie ran.“ Und eine andere: „Manche haben ihre Mutter als Vorbild genannt. Das kann ich nicht sagen. Vielleicht Gabriele Münter, die mit Kandinsky gemalt hat.“ Die Malerin gilt als bekannteste Vertreterin des Expressionismus in Deutschland. Sie war Mitbegründerin der Malergemeinschaft Der Blaue Reiter.
„Aus welcher Quelle schöpft Du,“ lautete eine weitere Frage. „Aus der Gemeinschaft, der Gemeinde, den Freunden und Familie.“ lauteten die Antworten.
„Wo ist Fürsorge in Deinem Leben sichtbar?“ Diese Frage zielte ab, auf das, wo jede*r Einzelne auch sich selbst mit in den Blick nimmt. Da antwortete eine: „Ich werde manchmal komisch angeschaut, wenn ich ein Ehrenamt ablehne oder Zeit auch einmal für mich selbst  benötige.“

Beschwingt und voller guter Eindrücke waren die Teilnehmenden am Ende des wunderbaren Sommertages. Herkunft wurde in diesen Stunden vielfältig gefeiert, sie verband die Pilgernden miteinander und so lässt sich Zukunft gemeinsam wandeln.

Das Vorbereitungsteam:
Aysel Bahci, muslimisch
Meryem Bayrak, muslimisch
Susanne Brakhane, Frauenpolitisches Forum (FPF)
Didem Günel, alevitisch, FPF
Gunda Hagens, katholisch, FPF
Lydie Hege, mennonitisch
Katrin Meinhard, evangelisch, FPF
Elisa Rogmann, Theaterpädagogin, Formgebung